Auswirkungen bei Zahlungen mit Kreditkarte auf Handelsvertreterprovision (sog. Tankstellenpächterfall)


1. Ausgangslage


In den allermeisten Fällen betreiben Pächter eine Tankstelle im Rahmen eines Vertriebsvertrages als Handelsvertreter.


Die Handelsvertreterprovision wird zwischen Kraftstoff- / Mineralölfirma und dem Betreiber der Tankstelle vertraglich grundsätzlich in Abhängigkeit der verkauften Kraftstoffe und sonstiger Waren geregelt.


Streitigkeiten kommen in diesem Zusammenhang oftmals dadurch zustande, dass im Rahmen der Provisionsregelungen sich ein Passus zur Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mittels Kreditkarteneinsatz der Kunden findet.


Die Kraftstofffirma legt insofern Wert darauf, dass bei dem bargeldlosen Zahlungsverkehr ein Abzug der Handelsprovision vorgenommen werden soll, da durch den bargeldlosen Zahlungsverkehr mittels Kreditkartensystem Gebühren / Kosten entstehen.


Die Tankstellenbetreiber als Handelsvertreter wenden gegen den Abzug der Handelsvertreterprovision das Handelsvertreterrecht gemäß § 86a Abs. 1 HGB als auch das AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen)-Recht ein, wonach solche Abzüge der Handelsvertreterprovision im Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen diese unangemessen benachteiligen würde, mithin unwirksam seien.


2. Rechtsprechung


Mit Entscheidung vom 16.12.2021, als auch 17.03.2022 hatten sich mit dieser Fragestellung das OLG München (23 U 1704/20) und das Kammergericht Berlin (2 U 4/20 Beschluss) zu befassen.


Vorweggenommen, ob eine entsprechende Regelung wirksam ist, hängt entscheidend von der Formulierung und Vertragsgestaltung ab, weshalb hierauf äußerste Sorgfalt bei der Abfassung des Handelsvertretervertrages walten zu lassen ist.


a) OLG München


Die Provisionsklausel, die dem OLG München zur Entscheidung zugrunde lag, war dergestalt ausgestaltet, dass in Abhängigkeit der verkauften Kraftstoffe gestaffelt Handelsvertreterprovision vereinbart war.


Zeitlich nach Abschluss des Vertriebsvertrages wurde ein Nachtrag zwischen den Vertragsparteien geschlossen, die auszugsweise wie folgt lautete:


„[…] Jeweils am Monatsende erhält Partner eine Gutschrift über alle getätigten Kartenumsätze einschließlich folgender von ihm zu tragenden anteiligen Gebühren- und Disagiobelastungen im Kreditkartengeschäft für die im Wege der Kundenselbstbedienung getätigten Gesamtumsätze.“


Der Kläger stützte sich bei dessen Begehr auf Zahlung des ihm in Abzug gebrachten Provisionsanspruchs auf die Regelung des § 86a Abs. 1, Abs. 3 HGB und § 307 Abs. 3, Abs. 1 BGB iVm. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, §§ 308, 309 BGB.


Das OLG München entschied, dass sich die Unwirksamkeit vorgenannter gegenständlicher Nebenabrede nicht bereits aus § 86a Abs., Abs. 3 HGB ergibt.


Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen. Dies wird im Allgemeinen so verstanden, dass diese Unterlagen kostenlos zu überlassen sind (vgl. BGHZ 213, 18 = NJW 2017, 662 Rn. 20).


Nach § 86a Abs. 3 HGB wäre im Übrigen auch eine Vergütung für die Zurverfügungstellung derartiger Unterlagen unwirksam.


Zu entscheiden war nunmehr, ob es sich bei dem Kreditkarteneinsatz um Unterlagen im Sinne § 86a Abs. 1 HGB handelt, mithin der Einsatz von Bankkarten / Kreditkarten insofern den Begriff der Unterlagen erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit – insbesondere zur Anpreisung der Waren bei dem Kunden – dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt. Eng ist § 86a Abs. 1 HGB auszulegen, was die Erforderlichkeit der Unterlagen betrifft (vgl. BGH NJW, 2011, 2423).


Es ist insofern nämlich zu beachten, dass der Handelsvertreter gemäß § 87d HGB - soweit nicht ein Aufwendungsersatz durch den Unternehmer handelsüblich ist – die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen grundsätzlich selbst zu tragen hat; hierzu gehören die eigene Büroausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der Repräsentation gegenüber den Kunden (vgl. BGHZ 213, 18 = NJW 2017, 662 Rn. 20).


Nach diesem Maßstab ist die Zurverfügungstellung bargeldloser Zahlungsmöglichkeiten durch den Unternehmer (Kraftstofffirma) gerade nicht als erforderliche Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB anzusehen. Es handelt sich gerade nicht um ein Hilfsmittel, das der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können und ohne das eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich wäre.


Wenngleich ein Handelsvertreter zur ertragreichen Handelsvertretung bargeldlose Zahlungsdienstleistungen benötigt, ist diese nicht zwingend aus der Sphäre des Unternehmers zu stellen.


Es ist dem Handelsvertreter unbenommen, bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten für seine Kunden selbst zu beschaffen und auf eigene Kosten gegenüber dem Kunden anzubieten.


Zitierte nachträgliche Zusatzvereinbarung war jedoch nach AGB-Recht unwirksam, benachteiligte den Handelsvertreter insofern unangemessen.


Wie dargestellt, greift § 307 Abs. 3, Abs. 1 BGB (Inhaltskontrolle) nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Klauseln, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen (vgl. BGH NJW 2019, 47 Rn. 14), unterliegen gemäß § 307 Abs. 3, Abs. 1 BGB gerade nicht einer Inhaltskontrolle.


Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Preisnebenabrede, die die Höhe der Provision nur mittelbar über die Einbeziehung von Bemessungsgrundlagen regelt. Im Falle von deren Unwirksamkeit würde nämlich an deren Stelle die dispositive Regelung des § 87b Abs. 2 HGB treten (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1206).


Das OLG München kam nunmehr zu der Entscheidung, dass die Zusatzvereinbarung nach AGB-Recht unwirksam ist, weil wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist.


Die unangemessene Benachteiligung wurde durch das Gericht damit begründet, dass typischer Zweck eines Handelsvertretervertrages gemäß § 84 Abs. 1 HGB sei, entgeltlich für den Unternehmer Geschäfte, hier v.a. Kraftstoffverträge, zu vermitteln (BGH NJW-RR 2004, 1206).


Das Recht des Handelsvertreters auf ein angemessenes Entgelt war durch zitierte Zusatzvereinbarung gefährdet.


Das Gericht rechnete insofern vor, dass bei niedrigem Spritpreis, und entsprechender Disagiolast im Worst Case Szenario der Handelsvertreter überhaupt keine Provision mehr erhalten hätte.


b) Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 17.03.2022


In dieser Fallkonstellation war die streitgegenständliche Provisionsklausel wie folgt ausgestaltet:


„Die in Nr. 1 geregelte Umsatzprovision solle sich in Höhe von 12,50 EUR je m³ Motorenkraftstoff reduzieren und zwar nach Nr. 1.2 bei Geschäften über ec-Karten und Karten der deutschen Kreditwirtschaft um 1,25 EUR/m³ und nach Nr. 1.3 bei Geschäften über Kreditkarten um 4,50 EUR/m³.“


Mit rechtlich ähnlicher Begründung wurde die Anwendung zugunsten des Handelsvertreters nach § 86a Abs. 1 HGB ebenfalls durch das Kammergericht abgelehnt.


Abweichend zu dem Fall des OLG München handelte es sich bei vorgenannter zitierter Provisionsklausel hingegen um keine unwirksame AGB-Klausel.


Dies vor dem Hintergrund, dass Inhaltskontrolle im vorliegenden Fall nicht durchzuführen war.


Die Vorschriften über die Inhaltskontrolle gelten – wie dargestellt – nur, wenn von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart sind.


Mit Rücksicht auf die Vertragsfreiheit über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungen ebenso wie Vereinbarungen über das vom andern Teil zu erbringende Entgelt, insbesondere soweit sie dessen Höhe betreffen, sind solche Klauseln der Inhaltskontrolle entzogen (ständige Rechtsprechung vgl. BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269, Rn. 43).


Vorgenannte zitierte Klausel stellt insofern gerade abweichend zu dem Fall vor dem OLG München keine kontrollfähige Preisnebenabrede dar. Preisnebenabreden regeln nicht das Ob und den Umfang von Entgelten, sondern haben die Art und Weise der Erbringung und etwaige Modifikation als ergänzende Regelung „neben“ einer bereits existierenden Preishauptabrede zum Inhalt (vgl. BGHZ 146, 331 Rn. 20 = NJW 2001, 2399).


Auch die Festlegung preisbildender Faktoren gehört zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung, ist insofern einer richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogen (vgl. BGHZ 185, 96 = NJW 2007, 2789 Rn. 19).



gez. Rechtsanwalt Fischer

06.09.2022



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Andreas Fischer

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Familienrecht
Master of Business Administration (MBA)
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